Wie im Artikel „A Web for the Many, not the Few“ beschrieben, hat sich das Web, aber auch das Internet als Ganzes, über die Jahre maßgeblich verändert. Aus einem unbegrenzten Fundus der Weiterbildung wurde immer mehr ein Schauplatz von Auseinandersetzungen; seien diese ökonomischer oder geopolitischer Natur. Im Buch „Cyber War – Die Gefahr aus dem Netz“ behandeln Constanze Kurz – eine deutsche Informatikerin und eine Sprecherin des Chaos Computer Clubs – und Frank Rieger – Internetaktivist und auch einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs – eines der aktuellsten Themen unserer Zeit: wie können die unzähligen digitalen Geräte und Dienste gegen uns verwendet werden?
Wir leben in einer durchdigitalisierten Welt. Unsere Abhängigkeit von Mobiltelefonen, Internet, Computern ist total.
Constanze Kurz, Frank Rieger, S. 7
Mit dieser ernüchternden Aussage öffnet das Autoren-Duo ihre 275 Seiten fassende Aufklärungstour durch digitale Überwachungsmechanismen. Was sich teils erschreckend und unglaublich liest, wurde wegen der Veröffentlichung von tausenden Dokumenten des US-amerikanischen Geheimdienstes NSA durch den Whistleblower Edward Snowden zur augenöffnenden Realität. Natürlich war vor Snowden schon klar, dass unser allumfassendes Netz durch verschiedenste Akteure zu Überwachungszwecken ausgenutzt wird – sei es zur ökonomischen Bereicherung oder Manipulation der Bevölkerung. Doch das uneingeschränkte, globale Ausmaß war doch ein gewaltiger Tritt gegen das Wadenbein.
Das Buch arbeitet sich systematisch vom Beispiel eines Angriffs über die Gründe, warum wir überhaupt so verwundbar sind (Bugs, Bugs, Bugs), welche Akteure (Jeder gegen Jeden) welche Werkzeuge benutzen, wie uns Desinformationen in unserer Wahrnehmung manipulieren können und was wir tun sollten, vor. Dabei geizen sie nicht mit persönlichen Einschätzungen – was meiner Meinung nach das Buch lesenswert macht.
Durch Desinformation und geschickte Auswahl der Bereiche, die zu zerfragen sind, und solcher, die von der Dekonstruktion verschont bleiben, soll eine Polarität von Chaos und Ordnung erzeugt werden. Auf der einen Seite steht der zerstrittene, von Korruption und Wohlstandsspaltung zerfressene Westen, auf der anderen Seite das ordentliche, planmäßig voranschreitende, rational-national handelnde Russland unter seinem großen Führer Putin.
Constanze Kurz & Frank Rieger, s. 212, Abs. 2
Vor allem analysieren die beiden Autoren auch für technisch weniger versierte Leser verständlich, warum gerade US-amerikanische Militärs und Geheimdienste an ihrer eigenen Abschreckungsmanövern scheitern. Stuxnet attestieren sie zum Beispiel:
In der Theorie der Cyberabschreckung hätte es dazu führen sollen, dass niemand es wagen würde, die US-Interessen mit digitalen Waffen zu attackieren. Doch in der Praxis bewirkte Stuxnet genau das Gegenteil.
CONSTANZE KURZ & FRANK RIEGER, S. 192, ABS. 3
„Cyber War – Die Gefahr aus dem Netz“ ist eine sehr lesbare, leicht verständliche und vor allem aktuelle Lektüre. Es behandelt technische, strategische und politische Grundlagen und stellt diese in einem gesellschaftlichen Kontext. Die Autoren fassen die Problemgebiete sehr präzise zusammen und zeigen nach einer Einordnung auch einen verständlichen Lösungsweg auf.
Es ist davon auszugehen, dass ich – als langjähriger Verfolger dieses Themengebiets – nicht unbedingt die Hauptzielgruppe dieses Buchs darstelle. Schon die Herangehensweise und Strukturierung zeigt, dass das Buch eher für fachfremde Leser gedacht ist und nicht eine vertiefende technische, gesellschaftliche und politische Diskussion verfolgt.
Es ist ein sehr übersichtlicher und wohlformulierter Einführungstext, der einen ausgezeichneten Einblick in die Machenschaften verschiedenster Akteure im Netz gibt. Daher kann ich das Buch auch uneingeschränkt weiterempfehlen – sofern man nicht nach einem akademisch allumfassenden und technisch bis ins letzte Detail beschreibenden Kompendium sucht.
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